Martin Luther King zum Bedingungslosen Grundeinkommen
In seinem letzten Buch, dem 1967 in New York bei Harper & Row erschienenen Titel „Where Do We Go From Here: Chaos or Community? ("Wohin führt unser Weg: Chaos oder Gemeinschaft?") schreibt Martin Luther King Junior in dem Kapitel ”Where We Are Going” (Wohin wir gehen):
In der Bekämpfung der Armut auf nationalem Niveau sticht eine Tatsache hervor: Es gibt in den Vereinigten Staaten doppelt so viele arme Weiße wie arme Schwarze. Daher will ich nicht näher auf die Erfahrungen mit der Armut eingehen, die aus Rassendiskriminierung herrührt. Bis vor kurzem gingen wir von der Annahme aus, dass Armut eine Folge verschiedener Übel sei: Mangelnde Ausbildung und in der Folge eingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt; aufgrund schlechter Wohnverhältnisse Lähmung des Familienlebens und Verlust an (Eigen-)Initiative; unsichere Familienverhältnisse und daraus resultierend eine gestörte Persönlichkeitsentwicklung. Die Logik dieses Ansatzes legt nahe, dass jede dieser Ursachen einzeln angegangen werden müsse. Also wurden ein soziales Wohnungsbauprogramm zur Verbesserung der Lebensbedingungen, verbesserte (Aus)Bildungseinrichtungen für bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt und Familienberatung für eine verbesserte persönliche Anpassungsfähigkeit konzipiert. In ihrer Kombination sollten diese Maßnahmen die Ursachen für Armut beseitigen. Während keines dieser Hilfsmittel in sich selbst unsolide ist haben alle einen schwerwiegenden Nachteil. Die Programme wurden nie in einer koordinierten Form oder auf gleich hohem Entwicklungsniveau durchgeführt. Die Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaus schwankten nach den Launen der gesetzgebenden Körperschaften. Sie waren zusammengestückelt und minimalistisch. Die Bildungsreformen waren sogar noch schleppender und haben sich noch mehr in bürokratischer Verzögerungstaktik und wirtschaftlich dominierten Entscheidungen verfangen. Die Unterstützung der Familien wurde vollständig missachtet um dann plötzlich aufgrund voreiliger und oberflächlicher Studien als zentrales Problem entdeckt zu werden. Zu keinem Zeitpunkt wurde ein umfassendes, koordiniertes und vollkommen zufriedenstellendes Programm konzipiert. In der Konsequenz haben die lückenhaften und krampfhaften Reformen nie zu den grundlegenden Problemen und Bedürfnissen der Armen vordringen können. Zusätzlich zu dem Mangel an Koordination und hinreichender Wirkung haben die Programme der Vergangenheit alle einen gemeinsamen Mangel – sie sind indirekt. Ein jedes will Armut beheben indem zuerst etwas anderes behoben werden soll. Ich bin heute davon überzeugt, dass der einfachste Ansatz sich als der effektivste erweisen wird – die Behebung der Armut durch ihre direkte Beseitigung mittels einer heute breit diskutierten Maßnahme: Dem bedingungslosen Grundeinkommen [wörtl: “dem garantierten Einkommen”]. Früher in diesem [dem 20.] Jahrhundert wäre dieser Vorschlag mit Gespött aufgenommen und als zerstörerisch gegenüber Eigeninitiative und -verantwortung verunglimpft worden. Seinerzeit wurde der wirtschaftliche Status als Maß für die Fähigkeiten und Talente des Individuums angesehen. Im simplifizierenden Denken jener Tage war das Nichtvorhandensein materieller Güter Kennzeichen für einen Mangel an Fleiß und Moral. Es war ein weiter Weg bis zu unserem heutigen Verständnis der menschlichen Motivation und der blinden Abläufe unseres Wirtschaftssystems. Jetzt werden wir gewahr, dass Fehlallokationen in unserer Marktwirtschaft und die vorherrschende Ausgrenzung Menschen in Untätigkeit abdrängen und gegen ihren Willen in permanenter oder wiederholter Arbeitslosigkeit festhalten. Die Armen werden heute seltener von unserem Gewissen als minderwertig und unfähig abgelehnt. Wir wissen auch, dass ganz egal wie dynamisch die Wirtschaft wächst und sich entwickelt, sie keineswegs alle Armut beseitigt. Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen wo wir aus dem Nicht-Produzenten einen Konsumenten machen müssen, wollen wir nicht in einem Meer aus Konsumgütern ertrinken. Wir haben die Produktion so tatkräftig gemeistert, dass wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf die Verteilung richten müssen. Obwohl es eine Zunahme der Kaufkraft gegeben hat, so hinkt sie doch der Zunahme der Produktion hinterher. Jene im untersten ökonomischen Bereich, die armen Weißen und Schwarzen, die Alten und die chronisch Kranken, sind seit jeher unorganisiert und haben daher wenig Möglichkeit die notwendige Erhöhung ihrer Einkommen zu erzwingen. Sie stagnieren oder werden sogar noch ärmer in Verhältnis zur Gesamtgesellschaft. Das Problem lässt erkennen, dass wir mit Nachdruck zwei Ziele verfolgen müssen. Entweder müssen wir Vollbeschäftigung schaffen oder Einkommen. Auf die eine oder die andere Methode müssen aus den Leuten Konsumenten gemacht werden. Sind sie einmal in dieser Lage, so müssen wir bemüht sein, dass die Leistungsfähigkeit des Individuums nicht vergeudet wird. Neue Formen von Arbeit, welche das allgemeine Wohl erhöhen, werden für jene ersonnen werden müssen, für die traditionelle Arbeitsplätze nicht vorhanden sind. 1879 nahm Henry George diese Situation in „Progress and Poverty“ (Fortschritt und Armut) vorweg indem er schrieb: “Tatsache ist, dass die Arbeit welche die Lage der Menschheit verbessert, die Arbeit, welche Wissen und Fähigkeit vergrößert, die Literatur bereichert und das Denken erweitert, nicht zur Sicherung des eigenen Lebensunterhaltes getan wird. Das ist keine Sklavenarbeit, angetrieben weder durch die Peitsche eines Herrn noch durch tierische Bedürfnisse. Es ist die Arbeit von Leuten, die sie um ihrer selbst willen ausführen und nicht um mehr zu bekommen zum Essen, zum Trinken, zum Anziehen oder zur Schau stellen. In einer Gesellschaft in der der Mangel abgeschafft ist, könnte Arbeit dieser Art immens zunehmen.“ Wir sind geneigt anzunehmen, dass die Probleme des Wohnens und der Ausbildung, anstatt der Beseitigung der Armut vorauszugehen, ihrerseits, wenn die Armut erst einmal abgeschafft ist, positiv beeinflusst werden. Sind die Armen einmal in Kunden mit Kaufkraft verwandelt, so werden sie selbst eine ganze Menge unternehmen, um ihre schlechten Wohnbedingungen zu verändern. Schwarze, die doppelt benachteiligt sind, werden einen größeren Einfluss gegenüber Ausgrenzung haben, wenn sie Geld als zusätzliche Waffe in ihrem Kampf einsetzen können. Über diese Vorteile hinaus wird sich aus umfassender wirtschaftlicher Sicherheit unvermeidbar eine Unzahl von positiven psychologischen Veränderungen ergeben. Die Würde des Individuums wird gedeihen wenn die sein eigenes Leben betreffenden Entscheidungen in seinen eigenen Händen liegen, wenn es die Gewissheit hat, dass sein Einkommen stabil und zuverlässig ist und wenn es die Mittel um nach Selbstverwirklichung zu streben vorhanden weiß. Konflikte zwischen Ehemann, Ehefrau und Kindern werden abnehmen wenn das ungerechte Messen des menschlichen Wertes auf einer Dollar-Skala aus der Welt geschafft ist. Zwei Bedingungen sind unverzichtbar wenn wir sichergehen wollen, dass das BGE als konsistent fortschrittliche Maßnahme wirkt. Erstens muss es an den Median des Einkommens in der Gesellschaft gekoppelt sein anstatt an das geringste Einkommen. Ein Einkommen an der Untergrenze zu garantieren würde einfach das Sozialhilfeniveau aufrechterhalten und die vorhandene Armut in der Gesellschaft festschreiben. Zweitens muss das BGE dynamisch sein, es muss automatisch zunehmen, wenn das gesamtgesellschaftliche Einkommen steigt. Würden wir im erlauben, unter Wachstumsbedingungen statisch zu bleiben, so würden die Empfänger eine relative Abnahme erleiden. Falls regelmäßige Bewertungen ein Wachstum des gesamten nationalen Einkommens ausweisen, so müsste das BGE um denselben Prozentsatz nach oben angepasst werden. Ohne diese Schutzmassnahmen würde eine schleichende Regression auftreten, welche den Nutzten für die soziale Sicherheit und Stabilität zunichte machte. Dieser Vorschlag ist nicht in dem Sinne ein Bürgerrechts-Programm wie der Begriff derzeit gebraucht wird. Das Programm würde allen Armen nützen, eingeschlossen die zweidrittel von ihnen, welche weiß sind. Ich hoffe, dass sowohl Schwarze wie auch Weiße zusammenarbeiten werden, um diese Änderung zu bewirken, weil ihre vereinte Kraft nötig sein wird, um den heftigen Widerstand zu überwinden welchen wir realistischerweise erwarten müssen. Es erleichtert unserer Nation die Anpassung an eine neue Art von Denken wenn wir begreifen, dass sich seit bald vierzig Jahren bereits zwei Gruppen in unserer Gesellschaft an einen BGE erfreuen. In der Tat ist dies ein Symptom für die Verwirrung unserer sozialen Werte, dass diese beiden Gruppen sich als die Reichsten und die Ärmsten herausstellen. Die Vermögenden die Wertpapiere besitzen verfügten jederzeit über ein gesichertes Einkommen und deren direktem Gegensatz, dem Fürsorgeempfänger, wurde ein – indessen äußerst geringes – Einkommen durch die Sozialhilfe garantiert. John Kenneth Galbraith veranschlagte, dass 20 Milliarden US-Dollar im Jahr für ein BGE ausreichen würden, er beschreibt das als „nicht viel mehr als wir im nächsten Haushaltsjahr zur Rettung von Freiheit und Demokratie und freier Religionsausübung ausgeben werden, so wie diese von „Experten“ in Vietnam definiert werden. Es ist die heute vorherrschende Tendenz in unserer Gesellschaft, die Distribution auf einer Knappheit aufzubauen, welche verschwunden ist, und unseren Reichtum in die überfüllten Mäuler der Mittel- und Oberklasse zu pressen bis diese nahezu am Überfluss ersticken. Wenn Demokratie überhaupt eine Bedeutung haben soll, ist es notwendig diese Ungerechtigkeit zu korrigieren. Es ist nicht nur moralisch, sondern es ist auch intelligent. Wir verschwenden und zerstören menschliches Leben indem wir an archaischem Denken festhalten. Es gibt keine Rechtfertigung für den Fluch der Armut in unserem Zeitalter. Es ist gesellschaftlich so grausam und blind wie die Praxis des Kannibalismus zu Beginn der Zivilisation, als Menschen einander aßen, da sie noch nicht gelernt hatten, Nahrung aus der Erde oder aus dem reichhaltigen Tierleben um sie herum zu gewinnen. Für uns ist es an der Zeit, uns selbst zu zivilisieren durch die vollständige, direkte und unverzügliche Abschaffung von Armut.
Im Rahmen der Internationalen Woche des Grundeinkommens fand am 16. September 2009 eine Podiumsdiskussion zum Bedingungslosen Grundeinkommen mit Prof. Dr. Christian Juckenack, Dr. Sascha Liebermann und Harald Lieske in Eisenach statt.
Hier zu sehen Ausschnitte von Kommentaren von Dr. Sascha Liebermann, Sozialwissenschaftler.
Wie geht es weiter in Namibia ? Ein Bericht über die Auswirkungen und Erfahrungen mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen in Namibia eineinhalb Jahre nach dessen Einführung :
Making the difference: ein Jahr BIG Pilotprojekt in Namibia
Vor einem Jahr, bei meinem ersten Besuch in Otjivero, drei Monate nach Einführung des Basic Income Grant (BIG), sagte mir eine Frau: „Now I can stand in the middle of people and talk.“ Was sie damit meinte war: Endlich kann sie wieder auf die Straße und ihren Nachbarn in die Augen schauen, denn sie kommt nicht um zu betteln, sondern um sich mit ihnen zu unterhalten. Als bei der offiziellen Vorstellung des BIGJahresberichts Emilia Garisa, eine andere Einwohnerin Otjiveros, vor über 100 Menschen, der lokalen Presse und dem namibischen Fernsehen, aufstand und das Mikrofon ergriff, um in ihrer Sprache und in ihren Worten zu bestätigen, was die WissenschaftlerInnen und AktivistInnen in ihrer Studie über den Effekt des BIG auf das Dorf im ersten Jahr präsentiert hatten, gab sie dieser Aussage ihrer Nachbarin aus Otjivero nochmals eine andere Bedeutung. Das bedingungslose Grundeinkommen hatte nicht nur ihren Unternehmerinnengeist geweckt, es hatte ihr Selbstvertrauen und Menschenwürde zurückgegeben. In der Studie „Making the difference“ wird Emilias Erfolgsgeschichte mit dem BIG ebenfalls zitiert: „Seit wir das BIG erhalten, habe ich mir Material gekauft und drei Kleider genäht... Ich verkaufe ein fertiges Kleid für N$150. Ich habe auch schon eine Anzahlung auf ein verzinktes Dach gemacht, das zahle ich Schritt für Schritt ab. Wenn du wiederkommst, wirst du die Veränderung sehen. Ich habe viele Pläne. Ich konnte auch mehr Nahrungsmittel kaufen: Maismehl, Tomatenmark, Öl und alles was man braucht.“ Emilia ist nur ein Beispiel für den unternehmerischen Geist, der durch die kleine Ansiedlung weht. So hat Joseph Ganeb bereits 2006 versucht, mit Ziegelherstellung Geld zu verdienen, ist aber aus finanziellen Gründen gescheitert. Jetzt, wo die Menschen in Otjivero Geld haben ihre Häuser zu verbessern, floriert auch sein Gewerbe, wie das von Emilia. In nackten Zahlen ausgedrückt stellt sich die Entwicklung wie folgt dar: Die Arbeitslosenquote sank von 60 Prozent (Nov. 07) auf 45 Prozent (Nov. 08). Das Einkommen verbesserte sich ohne Berücksichtigung des BIG um 29 Prozent. Den größten Anteil hatte, wie die Beispiele zeigen, die selbständige Erwerbstätigkeit. Sie konnte eine Steigerung von 301 Prozent verbuchen. Unerwartet hoch war die Steigerung bei abhängiger Lohnarbeit um 19 Prozent. Damit ist nicht nur ein für alle Mal das Vorurteil, ein Grundeinkommen generiere Faulheit und Abhängigkeit ausgeräumt, es zeigt auch, welche Kreativität und Energie ein - wenn auch geringes - Grundeinkommen freisetzen kann. Nicht nur, dass die Menschen in Otjivero das BIG zur Einkommensverbesserung nutzten, sie investierten es vor allem in die Verbesserung der Ernährungssituation. Mit ebenso erstaunlichen Ergebnissen. Waren vor der Einführung des BIG 42 Prozent der unter Fünfjährigen unterernährt, so waren es nach sechs Monaten nur noch 17 Prozent und nach weiteren 6 Monaten kein einziges dieser Kinder mehr. Und das trotz erhöhtem Zuzug in das Dorf, so dass also wieder mehr Menschen von dem Geld leben mussten als ursprünglich anvisiert. Nur die zu Beginn registrierten Bewohner Otjiveros erhalten das BIG. Wer später zuzieht kann höchstens von dem höheren Familieneinkommen profitieren: Ein Effekt, der viele an Bedingungen geknüpfte Sozialtransfers im Grunde scheitern lässt, und für eine bedingungslose Einführung des BIG für alle spricht. Die Erfolgsgeschichte ließe sich fortschreiben, sie ist zusammengefasst im Bericht der BIG-Koalition mit vielen Zitaten der Bewohner aus Otjivero. Sie wissen um die Bedeutung dieses Modellprojekts und sie wissen auch um die Begrenzung auf zwei Jahre. Sie sehen es ganz klar als Geschenk Gottes aber auch als ihr Recht an, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Namibia befindet sich im Wahljahr und die große Aufgabe der Koalition wird es nun sein, weitere MitstreiterInnen zu finden und eine neue soziale Bewegung für die Einführung des BIG namibiaweit anzustoßen. Denn dass es für das Land finanzierbar ist, zeigt der Bericht ebenfalls eindeutig – sei es über Steuererhöhung, Abgaben auf natürliche Ressourcen oder ähnliches. Es ist also nur noch eine Frage des politischen Willens.
"Hartz IV löst nur Leid aus" INTERVIEW JENS KÖNIG UND HANNES KOCH
taz: Herr Werner, Deutschland hat gerade voller Überraschung festgestellt, dass an seinem sozialen Rand eine völlig neue Spezies lebt: die Unterschicht, angeblich alle faul und asozial. Wenn man denen nicht Hartz IV kürzt, kriegen die ihren Arsch nie mehr hoch, glauben viele. Richtig oder falsch?
Götz Werner: Falsch. Aber der Mensch denkt eben schlecht vom Menschen - nicht von sich selbst natürlich, sondern immer vom jeweils anderen. Wer sich jedoch über den anderen erhebt, der handelt im Prinzip unmenschlich. Von der Unterschicht ist man schnell beim Untermenschen.
Wer ist schuld an diesem Skandal der neuen Armut? Die Betroffenen selbst? Der Sozialstaat? Hartz IV?
Sagen wir mal so: Wir haben eher ein Oberschichtenproblem als ein Unterschichtenproblem in Deutschland. Die Oberschicht ist nicht in der Lage, gesamtgesellschaftlich zu denken. Sie setzt ihre intellektuellen Fähigkeiten und finanziellen Möglichkeiten nicht so ein, dass sie dem Ganzen gerecht wird.
Union und SPD fordern, alle Arbeitsunwilligen härter zu bestrafen.
Wenn ich dem anderen Menschen keinen Freiraum gebe, wenn ich ihn drangsalieren und kujonieren will, dann werde ich ihm nicht gerecht. Das war doch eines der Ziele der Französischen Revolution: Gleichheit! Das heißt: einander auf Augenhöhe zu begegnen. Dem anderen die gleichen Stärken und Schwächen zuzubilligen wie mir selbst.
Viele Arbeitslose, so wird argumentiert, fordern für sich und ihre Kinder Hartz IV wie Gehälter.
Wir leben doch mittlerweile in einer Gesellschaft der totalen Fremdversorgung. Der moderne Mensch stellt nichts mehr selbst her, sondern kauft alles ein. Wer an dieser Gesellschaft teilnehmen will, ist darauf angewiesen, ein Einkommen zu beziehen. Jeder von uns braucht ein solches Stück Teilhabe. Das kann sehr bescheiden sein - aber ohne das geht nichts. Ich nenne das das sozioosmotische Prinzip: Wenn Sie das Wasser nicht mit ein bisschen Zuckerlösung anreichern, dann können Sie nicht den Zucker aus der Zuckerrübe holen.
Teilhabe als Menschenrecht?
Sie ist Voraussetzung für menschenwürdiges Leben. Artikel 1 des Grundgesetzes lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
SPD-Fraktionschef Peter Struck sagt, das Menschenbild, das Rot-Grün hatte, als es Hartz IV einführte, sei "vielleicht zu positiv" gewesen.
Struck ist entweder zynisch, oder er macht sich über die Arbeitslosen lustig.
Unionsfraktionschef Volker Kauder behauptet, die Regierung müsse mehr von den Leuten verlangen. Von ihm zum Beispiel könne man, wenn er arbeitslos sei, erwarten, dass er abends in der Kneipe bediene.
Ja, ja, der Mensch muss parieren, er hat das zu machen, was die Obrigkeit, was der Angestellte der Arbeitsagentur von ihm verlangt. Mein Gott, was Politiker so reden! Das klingt nicht nach Demokratie, sondern nach Aristokratie. Wenn ich Politiker wäre, würde ich sagen: Sorry, Hartz IV habe ich mir ganz anders vorgestellt. Die Reform war ein Fehler. Volle Kraft zurück. Hartz IV löst doch nur menschliches Leid aus.
"Hartz IV ist offener Strafvollzug", haben Sie einmal gesagt. "Es ist die Beraubung von Freiheitsrechten. Hartz IV quält die Menschen, zerstört ihre Kreativität."
Das gilt immer noch. Ist es das, was wir uns unter einer freiheitlichen Gesellschaft vorgestellt haben: dass die Behörden hinterherschnüffeln, wie die Arbeitslosen leben? Hartz IV verstößt gegen einen elementaren Grundsatz: Was du nicht willst, das man dir antut, das füg auch keinem andern zu. Mit Hartz IV werden die Menschen sozial ausgegrenzt. Es gehört abgeschafft.
Sozial ist, was Arbeit schafft, sagen die Politiker. Egal, wie die Arbeit bezahlt wird. Egal, ob die Arbeit zum Arbeitslosen passt. Ganz egal, ob überhaupt genug Arbeit da ist.
Die Politiker glauben immer noch an den Mythos der Vollbeschäftigung. Sie sind ganz benebelt davon. Aber Vollbeschäftigung ist eine Lüge.
Hängt nicht trotzdem einfach alles an der Erwerbsarbeit: Wohlstand, Identität, Selbstachtung, Zugehörigkeitsgefühl?
Nein! Dieses manische Schauen auf Arbeit macht uns krank
Werden wir nicht krank, wenn uns die Arbeit entzogen wird?
Widerspruch! Wir haben kein Problem mit der Arbeitslosigkeit.
Bitte?
Wir haben ein kulturelles Problem. Zum ersten Mal nach über 5.000 Jahren Menschheitsgeschichte leben wir im Überfluss. Aber wir kommen mit dieser neuen Wirklichkeit nicht klar. Wir schaffen es nicht, dass alle Menschen davon profitieren und daran teilhaben.
Das erzählen Sie mal einem Arbeitslosen, der sich nichts sehnlicher wünscht als einen ordentlichen Job.
Die Arbeitslosen haben wir nur, weil wir den Begriff der Arbeitslosigkeit verwenden. Die meisten so genannten Arbeitslosen haben ja Arbeit, sie liegen nicht den ganzen Tag auf der Couch und gucken Pro 7. Sie sind beschäftigt, in der Familie, in der sozialen Arbeit, im Sportverein. Sie tun wertvolle Dinge. Wenn sich jemand um seine Kinder kümmert, dann ist er für die Gesellschaft doch viel wertvoller, als wenn er in einer Fabrik Deckel auf die Flaschen dreht.
Reden Sie jetzt nicht über die Köpfe der Menschen hinweg, die darunter leiden, dass Sie ihre Arbeit verlieren und damit auch ihren inneren Halt?
Diese Menschen leiden darunter, dass sie nicht respektiert und anerkannt werden. Dass sie von der Gesellschaft stigmatisiert werden, weil sie angeblich nutzlos sind. Als Arbeit gilt nur das, was Werte schafft. Wenn eine Frau ihre drei Kinder großzieht, dann wird sie gefragt: Arbeitest du oder bist du zu Hause?
Arbeitsminister Franz Müntefering zitiert gern die Bibel und August Bebel: Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen.
Müntefering ist ein paar hundert Jahre zurückgeblieben. Er lebt noch in der Selbstversorgungsgesellschaft, als alle gegen den Mangel gewirtschaftet haben. Damals galt: Wer seinen Acker nicht bebaute und sein Feld nicht bestellte, der war selbst daran schuld, wenn er nichts zu essen hatte. Jetzt leben wir in der Fremdversorgungsgesellschaft. Ich kann gar nicht für mich allein arbeiten. Immer wenn ich arbeite, arbeite ich für jemand anderen. Ich brauche also ein Einkommen, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.
Und jetzt kommen Sie und sagen: Es ist gut, wenn die Menschen nicht arbeiten müssen?
Ich sage: Wir brauchen kein Recht auf Arbeit, jedenfalls nicht auf weisungsgebundene, sozialversicherungspflichtige Erwerbsarbeit. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen ein Recht auf Einkommen. Auf ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Sie wollen jedem Menschen 1.500 Euro geben. Einfach so. Monat für Monat. Von der Geburt bis zum Tod.
Ja, man muss jedem Menschen Geld in die Hand geben. Ein Bürgergeld. Das Grundeinkommen muss so bemessen sein, dass jeder davon bescheiden, aber in Würde leben kann. Es muss mehr sein als ein Existenzminimum - eine Art Kulturminimum.
Die Regierung definiert den Hartz-IV-Regelsatz als ein soziokulturelles Existenzminimum. Das sind 345 Euro.
In Karlsruhe, wo ich wohne, kann man davon nicht leben. Anderswo in Deutschland auch nicht. Vielleicht in Simbabwe. Sie setzen 1.500 Euro für dieses kulturelle Minimum an?
Nein. Diese 1.500 Euro habe ich in einem Interview einmal als Zukunftsvision ins Spiel gebracht. Die Einführung des Grundeinkommens geht natürlich nur schrittweise. Beginnen könnten wir mit 800 bis 1.000 Euro für jeden Bürger.
Für jeden das Gleiche?
Die Höhe könnte sich an einem Lebensbogen orientieren. Kinder könnten also zunächst einen geringeren Betrag bekommen.
Aber es gilt: keine Gegenleistung, keine Verpflichtung?
So ist es. Ein Grundeinkommen ohne jede Bedingung. Einfach als Ausdruck der Tatsache, dass jeder Mensch als Teil der Gemeinschaft anerkannt wird.
Die erste Lieblingsfrage aller Skeptiker lautet: Wer soll das bezahlen?
Das ist ein Totschlagargument.
Ihr Grundeinkommen könnte leicht ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung Deutschlands kosten, fast eine Billion Euro im Jahr.
Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung hat gerade ein solches Modell durchrechnen lassen. Das "solidarische Bürgergeld", ein Grundeinkommen von 800 Euro monatlich, das Thüringens CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus vorschlägt, würde demnach knapp 600 Milliarden Euro pro Jahr kosten - weniger, als der Staat heute für alle Sozialleistungen zusammen ausgibt.
Trotzdem bleibt die Frage: Woher soll dieses Geld kommen?
Aus Steuern.
Aha. Noch mehr Steuern.
Nein. Ich bin für eine sehr einfache Lösung. Alle Steuern weg, bis auf eine: die Mehrwertsteuer. Sie ist die einzige Steuer, die sinnvoll und gerecht ist.
Wie hoch soll sie sein?
Viel höher als heute. Vielleicht 50 Prozent.
Das müssen Sie erklären.
Der Sinn der Wirtschaft besteht doch darin, den Menschen Einkommen zu ermöglichen, indem Waren für den Verbrauch hergestellt werden. Im Gegensatz zu früher leben wir heute nicht mehr in einer Mangelwirtschaft. Wir stellen Waren im Überfluss her. Deshalb sollten wir den Verbrauch zur alleinigen Basis der Steuer machen. Nicht wer etwas leistet, sondern wer Leistungen anderer in Anspruch nimmt, soll Steuern zahlen. Also alle Steuern abschaffen - außer der Mehrwertsteuer.
Das soll gerecht sein? Warum wollen Sie Wohlhabende und Reiche zum Beispiel von der Einkommen- und Gewinnsteuer entlasten?
Weil die Reichen ihre Einkommen auch konsumieren - und damit ebenfalls die hohe Mehrwertsteuer zahlen würden. Oder sie investieren ihre Einkommen, was aber auch wieder zusätzlichen Konsum hervorruft. Am Ende landen Sie immer beim Verbrauch und damit bei der idealen Basis der Steuer.
Jeder zahlt Steuern entsprechend seiner Leistungsfähigkeit - das Prinzip würden Sie umstandslos entsorgen.
Warum das denn? Man kann die Mehrwertsteuer sozial gestalten. Einen sehr hohen Steuersatz für Luxusgüter, einen niedrigen für Güter des täglichen Bedarfs. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen und der Konsumsteuer würde Deutschland ein Investitionsparadies werden, das Arbeit nur so anzieht und viele Arbeitsplätze schafft.
Die zweite Lieblingsfrage aller Skeptiker lautet: Wieso soll der Mensch wider seine Natur handeln und seiner Faulheit nicht freien Lauf lassen, wenn er genug Geld zum Leben hat?
Ich frage die Skeptiker immer zurück: Würden Sie selbst aufhören zu arbeiten? Dann antworten sie: Ich doch nicht, ich arbeite aus Begeisterung. Dass sich die Menschen auf die faule Haut legen würden, nehmen wir nur vom anderen an.
Vielleicht reden Sie nur mit den falschen Leuten.
Nein, nein. Die meisten Menschen tragen seltsamerweise zwei Menschenbilder in sich - eines von sich und eines von den Mitmenschen. In dem ersten, spirituellen Bild ist der Mensch ein mit Vernunft und Freiheit begabtes Wesen. In dem zweiten, materialistischen Bild gleicht der Mensch eher einem Tier, da erscheint er als determiniertes Reizreaktionswesen. Diese Vorstellung spiegelt sich in dem Satz: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Und Sie glauben daran, dass in Ihrer schönen Grundeinkommenswelt alle Menschen freiwillig arbeiten?
Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen billigen wir jedem den Raum zu, in dem er in eigener Verantwortung die Arbeit ergreift, die er für notwendig und sinnvoll erachtet. Wir werden arbeiten, weil wir einen Sinn darin sehen - nicht, weil wir dazu gezwungen sind. Ist nicht erst das eine freie Gesellschaft, in der jeder Verzicht üben kann? In der jeder die Freiheit hat, Nein sagen zu können zu entwürdigenden Bedingungen? Befreit von ihren Existenzsorgen könnten die Menschen ihre Talente entfalten.
Das klingt ein bisschen wie das Paradies.
Sie glauben mir nicht. Aber mit dem Grundeinkommen zu leben wäre nicht so einfach.
Warum nicht?
Weil es keine Ausreden mehr gibt. Die ganzen Opferrollen, in denen wir es uns gemütlich gemacht haben, funktionieren nicht mehr. Sie können nicht mehr sagen, Sie machen den Job nur, weil Sie das Geld brauchen, Sie bleiben nur deswegen bei Ihrem Mann, weil Sie von seinem Einkommen abhängig sind …
Was würden wir mit einem Grundeinkommen gewinnen?
Würde und Sicherheit - und Macht. Wir könnten einem Arbeitgeber sagen, dass wir bei ihm nicht mehr arbeiten wollen, weil er die Umwelt verschmutzt oder weil er seine Angestellten mies behandelt. Was glauben Sie, wie ein solches Grundeinkommen die Leistungsfähigkeit unserer Gesellschaft entfesselt.
Aber wird es nicht immer Menschen geben, die nicht arbeiten wollen?
Die gibt es auch heute schon, und die bekommen trotzdem ihr Geld vom Staat - sie müssen nur die Repressionen der Sozialbehörden über sich ergehen lassen. Die Menschen, die heute nicht arbeiten, werden auch in Zukunft nicht arbeiten.
Wenn man heute Hauptschüler fragt, was sie einmal werden möchten, antworten nicht wenige: Ey, Alter, ich will Hartz IV werden. Was passiert mit diesen jungen Menschen, wenn sie plötzlich ein Grundeinkommen erhalten?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das wird sich herausstellen. Aber die Gesellschaft hat die Aufgabe, mit jungen Menschen so umzugehen, dass sie den Einstieg ins Leben als attraktiv empfinden.
Und attraktiv heißt, die jungen Leuten bekommen ihren Schotter, und man lässt sie in Ruhe?
Nein. Sie müssen einen Sinn in ihrem Leben finden, sie müssen sich Lebensziele setzen.
Dass junge Menschen heute Hartz IV als Berufswunsch angeben, hat auch mit der Gleichgültigkeit ihrer Eltern zu tun.
Merken Sie das Problem an Ihrer Frage? Die jungen Leute sagen doch nur deswegen, sie wollen Hartz IV werden, weil auch ihre Eltern auf Hartz IV sind. Gäbe es Hartz IV nicht, hätten sie automatisch ein anderes Lebensziel. Gäbe es ein Grundeinkommen, würden sie sehen, dass sich ihre Eltern frei entscheiden können, wie sie ihr Leben verbringen wollen. Der junge Mensch sucht sich seine Ideale. Hartz IV ist doch nicht das Matterhorn, das er erklimmen will.
Wer macht in Ihrer Welt die Arbeit, die keiner machen will? Wer fährt von Laden zu Laden und klopft für ein paar Euro die Fußmatten aus?
Möglicherweise müssen unangenehme Jobs höher bezahlt werden. Aber im Prinzip läuft es dann wie heute auch schon. Ein Beispiel: Wenn Sie wollen, dass morgens um fünf Uhr Ihre Zeitung ausgetragen wird, haben Sie immer nur drei Möglichkeiten. Erstens: Sie machen diese Arbeit so attraktiv, dass andere sie ausführen. Zweitens: Sie lassen die Arbeit durch Maschinen erledigen. Oder drittens: Sie machen sie selbst. Mit einem Grundeinkommen gäbe es jedoch einen gravierenden Unterschied: Die Arbeit würde freiwillig erledigt. Nicht mehr das Einkommen stünde im Vordergrund, sondern der Sinn der Arbeit. Das würde die volkswirtschaftliche Effizienz gewaltig steigern.
Sie sind ein Träumer.
Wer keine Träume hat, kann sein Leben nicht gestalten. Wer ein Haus bauen will und es sich vorher nicht erträumt, bekommt nur ein Nullachtfünfzehn-Haus.
Sie haben gut reden. Sie besitzen über 1.700 Drogeriegeschäfte, Sie erwirtschaften einen jährlichen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro. Sie gehören zu den 500 reichsten Deutschen.
Das stimmt nicht. Natürlich wollte ich früher, wie fast alle Unternehmer, immer mehr und mehr. Heute dagegen steht bei mir die Sinnmaximierung im Vordergrund.
Sie sehen die Welt mit anderen Augen?
Ich habe die Klassiker gelesen, Goethe, Schiller. Ich begriff, dass nicht mein eigener Erfolg wichtig ist. Ich will anderen zum Erfolg verhelfen. Es geht nicht ums Geschäft, es geht immer um den Menschen. Ich versuche, ihn so zu nehmen, wie er gern wäre.
"Nichts ist so stark wie die Idee, deren Zeit gekommen ist", sagen Sie.
Sagt Victor Hugo. Ich zitiere ihn nur.
Ist die Zeit reif für Ihre Idee?
Zumindest wird endlich darüber diskutiert. Bis vor zwei Jahren war das etwas für ein paar Fachleute. Wenn ich heute Vorträge halte, sind die Säle voll.
Was hat sich da geändert?
Die alten politischen Parolen haben mit der Welt, in der die Menschen leben, nichts mehr zu tun. Trotz temporärer Erfolgsmeldungen wächst die Arbeitslosigkeit, das ungebremste Wachstum schädigt unsere Ressourcen. Selbst wenn Angela Merkel jeden Morgen riefe "Vollbeschäftigung ist machbar" - niemand würde ihr mehr glauben.
Selbst in den Parteien, und zwar von ganz links bis rechts, findet das bedingungslose Grundeinkommen bereits Anhänger. Warum ist das so?
Weil es gleichzeitig die radikalste Form des Sozialismus und die radikalste Form des Kapitalismus ist. Nach einem meiner Vorträge schrieb mir ein Zuhörer: "Ihr Grundeinkommensmodell hat mein sozialistisches Herz mit meinem neoliberalen Verstand versöhnt."
Einwohner von Otjivero/Omitara bekommen auch nach Ende des Pilotprojekts Finanzhilfe
Windhoek – Obwohl das zweijährige Politprojekt zur Auszahlung eines Grundeinkommens (Basic Income Grant, BIG) für Otjivero/Omitara jetzt zu Ende geht, sollen die Einwohner dieses Ortes weiterhin finanziell unterstützt werden. So sollen die Menschen von Januar 2010 an „bis auf weiteres“ jeweils 80 Namibia-Dollar (bisher 100 N$) pro Person und Monat bekommen. Das kündigte die BIG-Koalition gestern in Windhoek an.
Diese „Brückenförderung“ soll dazu dienen, die Einwohner des Ortes nicht im Stich zu lassen, weil die Auszahlung des Grundeinkommens noch nicht landesweit eingeführt wurde, was die BIG-Koalition bedauert. In einer Erklärung sprach der Verbund von seiner „Enttäuschung“ über die namibische Regierung, die offenbar die „eindrucksvollen Ergebnisse“ des Pilotprojekts nicht zur Kenntnis nehme.
Die landesweite Einführung von BIG sei eine „Frage des politischen Willens“, heißt es. Ein solches Vorhaben sei nicht nur administrativ, sondern auch finanziell möglich. So rechnete die BIG-Koalition vor, dass eine landesweite Auszahlung von 100 N$ pro Monat an geschätzte 1,2 Millionen Anspruchsberechtigte (130000 Pensionäre sind wegen des Empfangs der staatlichen Rente ausgeschlossen, weitere 666000 Empfänger würden den Zuschuss über die Steuer zurückzahlen) ein Budget von 1,4 Milliarden Namibia-Dollar pro Jahr erfordern würde – dies seien 5,7 Prozent des Staatshaushaltes. „Die Finanzministerin stellt in ihrem Entwurf des Staatshaushaltes stets die Ausrottung der Armut in den Vordergrund. Wir fordern sie heraus, diese mit 5,7 Prozent des Haushalts zu bekämpfen, anstatt Geld woanders auszugeben, wo es nichts bewirkt“, sagte Uhuru Dempers von der BIG-Koalition. Deren Vorsitzender, Bischof Zephania Kameeta, ergänzte: „Wenn die Regierung die Vorteile nicht sieht und dies (landesweite BIG-Auszahlung) durchsetzt, dann ist das eine vertane Chance.“
Die BIG-Koalition wies erneut darauf hin, dass das Pilotprojekt viele positive Spuren in Otjivero/Omitara hinterlassen habe. So seien zum Beispiel Unterernährung (vor allem bei Kindern), Arbeitslosigkeit, Zahl der Schulabbrüche und Kriminalität in den vergangenen zwei Jahren deutlich zurückgegangen.
fiktive Weihnachtsansprachen Weihnachtsansprache 2009 des Ministers für soziale Angelegenheiten*
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Mitmenschen
ich spreche zu Ihnen als künftiger Minister für soziale Angelegenheiten. Das Ministerium für Arbeit wird aufgelöst, die nützlichen Teile davon in das neue Ministerium überführt.
Ich freue mich, Ihnen in meiner neuen Eigenschaft eine historische Zäsur verkünden zu können: Die Arbeitsgesellschaft ist Geschichte!
Indem wir nicht mehr das Ziel einer Vollbeschäftigung im Erwerbssektor anstreben, eröffnen sich plötzlich Spielräume, die wir schon viele Jahre überhaupt nicht mehr kannten.
Auch hier ist ein kleiner Perspektivenwechsel folgenreich. Die Menschen brauchen keine Arbeitsplätze, sondern Einkommen. Die neue Sichtweise ermöglicht uns, Sie endlich wieder als Mensch wahrzunehmen. Sie erlaubt eine Neubewertung der millionenfachen Situation zuvor als „menschlich nicht angemessen“. Im Namen der gesamten Regierung möchte ich mein tiefes Bedauern ausdrücken für die zahlreichen schikanösen und entwürdigenden Behandlungen im Rahmen des Hartz IV Gesetzes, das nunmehr überwunden ist.
Dieser Charakter war uns lange Zeit verborgen geblieben, weil wir nur Sozialhilfeempfänger und potentielle Sozialschmarotzer im Fokus hatten. Die Erkenntnis, daß es sich um Menschen handelte, ist erst durch den Pradigmenwechsel ermöglicht worden.
Er ermöglicht auch einen tiefgreifenden Wechsel in der Sozialpolitik, obwohl sich äußerlich nur wenig ändert. Wir werden ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen. Das ist eine Geldzahlung, die der Staat treuhänderisch an jeden Menschen in diesem Land ausführt. Diese Geldzahlung beträgt monatlich 1000,00 Euro pro Person (Kinder 650,00), es besteht ein lebenslanger individueller Rechtsanspruch darauf und ist mit keinerlei Gegenleistung verbunden, auch nicht mit dem Zwang zur Arbeit. Im Gegenzug entfallen sämtliche anderen Sozialtransfers.
Die umfangreiche Verwaltung mit rund 100.000 Beschäftigten brauchen wir dann nicht mehr. Deshalb kann das Arbeitsministerium auch aufgelöst werden.
Indem wir den Menschen als Ganzes und nicht mehr nur in seinen Funktionen sehen, erscheint es uns wichtig, menschliche Verantwortung zu fördern und zu unterstützen statt sie in eigene Betriebe auszulagern („Outsourcing“), z.B. Altenheime, und somit Verantwortung und Zuständigkeit zu einer handelbaren Ware zu machen.
Mit einem Grundeinkommen besteht eine existentielle Sicherheit und eröffnet den Menschen Freiräume wie nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Ein alter Traum wird wahr. Wir erwarten, daß dadurch enorme Kreativkräfte freigesetzt werden in allen Bereichen des Lebens.
Die Stuttgarter Breuninger-Stiftung will das bedingungslose Grundeinkommen einem Realitätstest unterziehen. Nach Informationen von manager magazin sind in Brandenburg und Stuttgart zwei Feldversuche zur Idee von dm-Gründer Götz Werner geplant. Je 100 Menschen sollen monatlich 800 Euro erhalten.
Hamburg - Die Stuttgarter Breuninger-Stiftung will die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens einem Realitätstest unterziehen. Zwei Feldversuche sollen belegen, dass die vorbehaltlose Zahlung eines fixen Grundgehalts Menschen zu beruflich oder ehrenamtlich sinnvollen Tätigkeiten animiert. Dies berichtet das manager magazin in seiner neuen Ausgabe, die ab Freitag (18. Dezember) im Handel erhältlich ist.
Grundbedarf gedeckt: Die Breuninger-Stiftung will testen, was Menschen mit ihrer Zeit anstellen, denen jeden Monat 800 Euro geschenkt werden Für den theoretischen Ansatz des Grundeinkommens wirbt Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm, bereits seit Jahren. Ob das Konzept auch in der Praxis funktioniert, ist strittig.
Auf Initiative von Helga Breuninger, Spross des gleichnamigen Stuttgarter Kaufhausclans und Leiterin der Breuninger-Stiftung, hat eine Projektgruppe bereits einen Versuchsplan ausgearbeitet. Das von Werner geleitete Interfakultative Institut für Entrepreneurship in Karlsruhe hat an dessen Ausarbeitung mitgewirkt.
Der Projektskizze zufolge sollen je 100 Teilnehmer an zwei deutschen Standorten für einen Zeitraum von zwei Jahren ein festes Grundeinkommen erhalten: monatlich 800 Euro netto, zuzüglich der Beiträge zur Sozialversicherung. Um möglichst aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, hat die Projektgruppe zwei Testgebiete mit unterschiedlicher Wirtschaftskraft ausgewählt. Ein Feldversuch soll im wirtschaftlich starken Stuttgart, der andere in einer strukturschwächeren Gemeinde in Brandenburg stattfinden. Der Start des Projekts ist für Mitte 2010 vorgesehen. Zur Zielgruppe zählen Hochschulabsolventen mit schlechten Jobperspektiven genauso wie Mütter nach der Babypause, Frührentner, Hartz-IV-Empfänger oder Langzeitarbeitslose. Die Gesamtkosten des Projekts werden auf sieben Millionen Euro veranschlagt. Die Breuninger-Stiftung will ihren Teil dazu beitragen; zusätzlich sollten öffentliche Mittel, aber auch Spenden von Unternehmen und anderen Stiftungen akquiriert werden.
Deutschland brauche wieder eine eigene Währung, ein neues Bodenrecht und das bedingungslose Grundeinkommen. „Dann sind wir gerettet“, sagte am Samstag der Buchautor und Aufsichtsratsvorsitzende der L’or capital fine art AG, Nienburg, Andreas Popp. Die finale Neuordnung hin zu einem gerechteren System umriss er so:
Die Geldmenge muss für alle Zeiten in Relation zur Wirtschaftskraft festgelegt werden. Die Macht über die Geldmenge dürfe weder den privaten Banken noch den Regierungen unterstellt sein. Die Steuerung müsse über ein autarkes Währungsbüro erfolgen. Die Deutsche Bundesbank in ihrer ehemaligen Funktion sei der richtige Ansatz eines relativ autarken Geldsystems gewesen, allerdings sei sie durch die Weltleitwährung US-Dollar stark reglementiert.
Desweiteren fordert Popp für alle Bürgerinnen und Bürger ein „bedingungsloses Grundeinkommen“, entsprechend dem Modell, wie es der Gründer des dm-Drogeriemarktes, Professor Götz Werner, vor einigen Jahren vorgelegt hat. Demnach sei Einkommen ein Bürgerrecht und Vollbeschäftigung eine Illusion. Also müsse man Arbeit und Einkommen trennen.
Dem Einwurf von Kritikern, „dann arbeitet ja keiner mehr“, hielt Andreas Popp entgegen: „Schon jetzt haben wir eine Arbeitslosenquote von 80 Prozent.“ Denn: Zehn Prozent der Bürger seien Sozialhilfeempfänger, 20 Prozent erhielten Pensionen oder Renten, 30 Prozent bekämen sogenannte Transfereinkommen und von den 40 Prozent derer, die ein Erwerbseinkommen hätten, könne man die Hälfte streichen, weil ihre Arbeit den Wirtschaftskreislauf eher behindere als fördere. Ohnehin würde die meiste Arbeit durch Maschinen erledigt. Gleichzeitig plädiert Popp dafür – in Anlehnung an Götz Werner – nur noch eine Steuer zu erheben: Eine Konsumsteuer von 100 Prozent, die erst beim Erwerb einer Ware aufgeschlagen werde. Damit entfielen die zahlreichen Zwischensteuern im Produktionsverlauf eines Produktes, wie dies heute noch der Fall sei.
Bereits der dm-Gründer macht in seinem Buch deutlich: Deutschland könnte zum Steuer- und Arbeitsparadies werden. Das bedingungslose Grundeinkommen würde unsere Gesellschaft völlig verändern – weg vom Arbeitszwang, hin zur Möglichkeit eigeninitiativ sinnvolle Tätigkeiten zu ergreifen. Gerd Lache
Buchhinweis: Götz W. Werner, Einkommen für alle, Kiepenheuer & Witsch, 224 Seiten, Preis: 16,90 Euro.
Was hat das Grundeinkommen mit dem Weltfinanzsystem zu tun?[/size]
Dr. Sascha Liebermann Soziologe | Witten Initiative „Freiheit statt Vollbeschäftigung“
Dr. Dirk Solte Ökonom | Ulm FAW / n
[size=150]Vortrag am Donnerstag | 3. Juni 2010 | 18 Uhr wo Café im Kornhauskeller Hafengasse 19 | Ulm Eintritt frei um Spende zur Deckung der Unkosten wird gebeten
Was würden Sie arbeiten, wenn für Ihr Einkommen gesorgt wäre?
Die Initiative Grundeinkommen aus Basel strebt eine Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen an. Grundeinkommen für alle? Bedingungslos? Was sich zunächst befremdend anhört, ist das Kernstück einer faszinierenden sozial-ökonomischen Vision für das 21. Jahrhundert. prisma unterhielt sich mit einem der Initianten, Daniel Häni. Von Max Winkler.
In der Schweiz herrschte bis 2007 quasi Vollbeschäftigung, womit sie global ziemlich alleine auf weiter Flur dastand. Gerade noch Neuseeland konnte bis zur Wirtschaftskrise ähnlich erfolgreiche Arbeitsmarktstatistiken vorweisen. Die Mehrheit aller Industriestaaten kämpft dagegen schon seit den späten 1970ern mit dem Phänomen der strukturellen Massenarbeitslosigkeit. Politiker aller Couleur fordern daher seit Jahren Wirtschaftswachstum um jeden Preis, obwohl es längst offensichtlich ist, dass der Arbeitsmarkt aufgrund der fortschreitenden Rationalisierung und Digitalisierung der wirtschaftlichen Leistungserbringung auch in Zukunft die soziale Integration aller Menschen nicht gewährleisten kann. Der emeritierte HSG-Professor Peter Ulrich stellt deshalb fest, dass das traditionelle Denken in BIP-Quantitäten die Entwicklung neuer, qualitativ besserer Organisationsmodelle behindert. Doch wie könnte solch ein Modell aussehen?
Der aus der Nähe von Bern stammende Unternehmer Daniel Häni führt seit fast zehn Jahren das «unternehmen mitte» in der Basler Innenstadt. Wo früher jahrzehntelang die Schweizerische Volksbank ihren Hauptsitz hatte, ist heute ein Kaffeehaus mit über 1000 Gästen am Tag und Raum für Kulturschaffende, Designer, Architekten oder Theatermacher – ein Ort der Begegnung. Bemerkenswert ist: Im Kaffeehaus in der ehemaligen Schalterhalle gibt es keinen Konsumzwang, dennoch erzielt es jährlich etwa 3.5 Millionen Franken Umsatz. Häni setzt mit der Einladung zum bedingungslosen Verbleib in seinem Café also bereits im Kleinen erfolgreich um, wofür er sich im Grossen in der Öffentlichkeit engagiert. Das «unternehmen mitte» ist nämlich auch die Brutstätte der Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Schweiz, welche Häni vor vier Jahren zusammen mit dem Künstler Enno Schmidt gründete. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, zunächst die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens in der Schweiz bekannt zu machen, um schliesslich eine Volksinitiative zu dem Thema zu lancieren. Doch was ist eigentlich ein bedingungsloses Grundeinkommen genau? Das deutsche «Netzwerk Grundeinkommen» definiert: «Das Grundeinkommen ist ein Einkommen, das bedingungslos jedem Mitglied einer politischen Gemeinschaft gewährt wird.» Es stellt einen individuellen Rechtsanspruch dar, soll die Existenz sichern und die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, wird ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt und bedeutet, dass kein Zwang zur Erwerbsarbeit mehr besteht.
Für Häni ist das bedingungslose Grundeinkommen die erste positive Vision des 21. Jahrhunderts. Und wer es nicht gerade mit dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schimdt hält («Wer Visionen hat, sollte zum Augenarzt»), dem wird rasch klar, dass da eine Idee am Reifen ist, die sich als ähnlich fundamentaler Paradigmenwechsel herausstellen könnte wie seinerzeit die Einführung des Frauenstimmrechts oder die Abschaffung der Sklaverei. Weil Einkommen nicht mehr als Bezahlung von Arbeit, sondern als Ermöglichung zu arbeiten verstanden werden soll, postuliert das bedingungslose Grundeinkommen im Grunde ein neues Freiheitsverständnis, nach dem jeder frei sein soll, auf eine traditionelle Erwerbstätigkeit zu verzichten, ohne dadurch in existenzielle Nöte zu geraten. Häni prophezeit als Konsequenz einen Boom kreativer und sozialer Impulse, für die in der heutigen Ordnung keine kaufkräftige Nachfrage besteht, und spricht in diesem Zusammenhang von «Sinnmaximierung» als oberstes Ziel allen Wirtschaftens.
Das bedingungslose Grundeinkommen als simplen Solidaritäts- oder Sozialhilfegedanken abzutun, ist allerdings eine Denkfalle, da so lediglich neuer Wein in alte Schläuche gegossen wird. Offensichtlich entwickelt es die Idee der sozialen Hilfe weiter, wendet sich aber andererseits auch von ihr ab. Denn ein bedingungsloses Grundeinkommen ist nicht Ausdruck einer Heilslehre und bedeutet «nicht Solidarität mit den sozial Schwächeren». Vielmehr will es die individuelle Eigenverantwortung stärken, Lösungen durch die Menschen ermöglichen und, mit Enno Schmidt gesprochen, «jeden zum Unternehmer seiner eigenen Biografie machen».
Würden Sie mit einem bedingungslosen Grundeinkommen noch arbeiten?
Besteht denn dann nicht die Gefahr, dass viele Menschen gar nicht mehr arbeiten? Weil der Arbeitnehmer leichter als zuvor auf ein Arbeitsangebot verzichten kann, würde sich der Arbeitsmarkt erst durch ein bedingungsloses Grundeinkommen zu einem richtigen Markt hin verändern, in dem beide Parteien sich annähernd auf Augenhöhe begegnen. Wie der Unternehmer Häni erklärt, «müssen die Unternehmen dann mehr darauf schauen, warum die Menschen bei ihnen arbeiten sollen, wenn diese weniger dazu gezwungen wären». Eine von den Initianten durchgeführte Umfrage deutet nicht darauf hin, dass viele Menschen ihre Erwerbstätigkeit schnurstracks einstellen würden (siehe Box), zumal ein Grundeinkommen nur einen Basisbetrag für ein gesellschaftswürdiges Leben garantiert, welcher in der Schweiz zwischen 2‘000 und 2‘500 Franken liegen könnte, und der darüber hinausgehende Lebensbedarf nach wie vor erworben werden muss. Und wer macht dann unsere «Drecksarbeit»? Diese Frage stellte sich schon öfters in der Geschichte, beispielsweise erhoben weisse Baumwollplantagenbesitzer in den amerikanischen Südstaaten diesen Einwand, als die Abschaffung der Sklaverei in den USA diskutiert wurde, und Schweizer Medien stellten dieselbe Frage bei der Einführung des Frauenstimmrechts. Häni nennt drei praktikable Lösungsvarianten: Erstens könne man diese Arbeiten besser bezahlen und bessere Arbeitsbedingungen schaffen, so dass die Arbeit attraktiver wird. Zweitens könne man sie teilweise automatisieren und wegrationalisieren und drittens könne man ja das, wofür man meint, andere zwingen zu müssen, es zu tun, auch selber machen.
Selbst wenn die Menschen grösstenteils wie zuvor weiterarbeiten: Ist denn ein solches Einkommen für alle überhaupt finanzierbar? Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst verstehen, dass das Grundeinkommen die bestehenden Einkommen (jeder und jede hat heute bereits ein Einkommen, sonst könnte er gar nicht leben) in seiner Höhe ersetzt und in dieser Höhe bedingungslos macht. Es handelt sich nicht um viel mehr Geld. Nur wer heute weniger hat, würde finanziell besser gestellt. Die Frage ist also, wie die Transferzahlung des Grundeinkommens organisiert wird. Dafür schlagen die Basler Initianten um Daniel Häni vornehmlich eine Besteuerung des Konsums vor. Weil dies die zukünftige Steuer sei, «die gerechte Steuer, für den fairen, auch globalen Handel».
Die Finanzierbarkeit eines Grundeinkommens ist unter Ökonomen umstritten, wie der Autor dieses Artikels bei einem Gespräch mit dem HSG-Ökonomen Jörg Baumberger erfahren konnte. Und doch hat beispielsweise die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung, die der CDU nahesteht, verschiedene Szenarien durchgerechnet und die Finanzierbarkeit bestätigt. Neben den ökonomischen Argumenten erläutert Häni auch die grössere sozialphilosophische Dimension der konsumorientierten Besteuerung. Wir sehen uns heute einer arbeitsteiligen Wirtschaft gegenüber, in der wir nicht mehr das konsumieren, was wir selber hergestellt haben, sondern von der Leistungserbringung anderer leben. Dieser Tatsache trägt die Mehrwertsteuer Rechnung, weshalb sie auch als Steuer der Fremdversorgung bezeichnet werden kann. Als ob wir uns immer noch selber versorgen würden, bemisst sich die Einkommenssteuer jedoch anhand der individuellen Leistung, hemmt diese dadurch und gehört deshalb in einer arbeitsteiligen Wirtschaft im Grunde entsorgt.
Wie wird in Deutschland Einkommen erzielt?
40% durch Erwerbstätigkeit
30% durch Angehörige
20% durch Rente
10% durch Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe
bereits heute leben ca. 60 % der Deutschen von Transfers
Es gibt also gute Gründe, diese Initiative zu beachten. Es gilt alte Denk-muster aufzubrechen, wonach nur, wer Erwerbsarbeit leistet, etwas Gutes tut, und wonach sich Wirtschaft als Selbstzweck versteht. Wie schon erwähnt, gewährt das bedingungslose Grundeinkommen jedem Bürger eine nie dagewesene Freiheit, eigenverantwortlich das zu tun, was er für richtig hält. Damit korrekt umzugehen, wird der kritische Erfolgsfaktor auf dem Weg zu einer Realisierung sein. Erste Feldversuche in Namibia, Brasilien und zu Zeiten Milton Friedmans auch in den USA lieferten bereits vielversprechende Resultate. Das bedingungslose Grundeinkommen hat das Potenzial, zum nächsten grossen Meilenstein in der Geschichte individueller Freiheit zu werden.
Der Film-Essay von Daniel Häni und Enno Schmidt kann kostenlos heruntergeladen werden.
Was würden Sie arbeiten, wenn für Ihr Einkommen gesorgt wäre?
Die Initiative Grundeinkommen aus Basel strebt eine Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen an. Grundeinkommen für alle? Bedingungslos? Was sich zunächst befremdend anhört, ist das Kernstück einer faszinierenden sozial-ökonomischen Vision für das 21. Jahrhundert. prisma unterhielt sich mit einem der Initianten, Daniel Häni. Von Max Winkler.
In der Schweiz herrschte bis 2007 quasi Vollbeschäftigung, womit sie global ziemlich alleine auf weiter Flur dastand. Gerade noch Neuseeland konnte bis zur Wirtschaftskrise ähnlich erfolgreiche Arbeitsmarktstatistiken vorweisen. Die Mehrheit aller Industriestaaten kämpft dagegen schon seit den späten 1970ern mit dem Phänomen der strukturellen Massenarbeitslosigkeit. Politiker aller Couleur fordern daher seit Jahren Wirtschaftswachstum um jeden Preis, obwohl es längst offensichtlich ist, dass der Arbeitsmarkt aufgrund der fortschreitenden Rationalisierung und Digitalisierung der wirtschaftlichen Leistungserbringung auch in Zukunft die soziale Integration aller Menschen nicht gewährleisten kann. Der emeritierte HSG-Professor Peter Ulrich stellt deshalb fest, dass das traditionelle Denken in BIP-Quantitäten die Entwicklung neuer, qualitativ besserer Organisationsmodelle behindert. Doch wie könnte solch ein Modell aussehen?
Der aus der Nähe von Bern stammende Unternehmer Daniel Häni führt seit fast zehn Jahren das «unternehmen mitte» in der Basler Innenstadt. Wo früher jahrzehntelang die Schweizerische Volksbank ihren Hauptsitz hatte, ist heute ein Kaffeehaus mit über 1000 Gästen am Tag und Raum für Kulturschaffende, Designer, Architekten oder Theatermacher – ein Ort der Begegnung. Bemerkenswert ist: Im Kaffeehaus in der ehemaligen Schalterhalle gibt es keinen Konsumzwang, dennoch erzielt es jährlich etwa 3.5 Millionen Franken Umsatz. Häni setzt mit der Einladung zum bedingungslosen Verbleib in seinem Café also bereits im Kleinen erfolgreich um, wofür er sich im Grossen in der Öffentlichkeit engagiert. Das «unternehmen mitte» ist nämlich auch die Brutstätte der Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Schweiz, welche Häni vor vier Jahren zusammen mit dem Künstler Enno Schmidt gründete. Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, zunächst die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens in der Schweiz bekannt zu machen, um schliesslich eine Volksinitiative zu dem Thema zu lancieren. Doch was ist eigentlich ein bedingungsloses Grundeinkommen genau? Das deutsche «Netzwerk Grundeinkommen» definiert: «Das Grundeinkommen ist ein Einkommen, das bedingungslos jedem Mitglied einer politischen Gemeinschaft gewährt wird.» Es stellt einen individuellen Rechtsanspruch dar, soll die Existenz sichern und die gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen, wird ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt und bedeutet, dass kein Zwang zur Erwerbsarbeit mehr besteht.
Für Häni ist das bedingungslose Grundeinkommen die erste positive Vision des 21. Jahrhunderts. Und wer es nicht gerade mit dem ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schimdt hält («Wer Visionen hat, sollte zum Augenarzt»), dem wird rasch klar, dass da eine Idee am Reifen ist, die sich als ähnlich fundamentaler Paradigmenwechsel herausstellen könnte wie seinerzeit die Einführung des Frauenstimmrechts oder die Abschaffung der Sklaverei. Weil Einkommen nicht mehr als Bezahlung von Arbeit, sondern als Ermöglichung zu arbeiten verstanden werden soll, postuliert das bedingungslose Grundeinkommen im Grunde ein neues Freiheitsverständnis, nach dem jeder frei sein soll, auf eine traditionelle Erwerbstätigkeit zu verzichten, ohne dadurch in existenzielle Nöte zu geraten. Häni prophezeit als Konsequenz einen Boom kreativer und sozialer Impulse, für die in der heutigen Ordnung keine kaufkräftige Nachfrage besteht, und spricht in diesem Zusammenhang von «Sinnmaximierung» als oberstes Ziel allen Wirtschaftens.
Das bedingungslose Grundeinkommen als simplen Solidaritäts- oder Sozialhilfegedanken abzutun, ist allerdings eine Denkfalle, da so lediglich neuer Wein in alte Schläuche gegossen wird. Offensichtlich entwickelt es die Idee der sozialen Hilfe weiter, wendet sich aber andererseits auch von ihr ab. Denn ein bedingungsloses Grundeinkommen ist nicht Ausdruck einer Heilslehre und bedeutet «nicht Solidarität mit den sozial Schwächeren». Vielmehr will es die individuelle Eigenverantwortung stärken, Lösungen durch die Menschen ermöglichen und, mit Enno Schmidt gesprochen, «jeden zum Unternehmer seiner eigenen Biografie machen».
Würden Sie mit einem bedingungslosen Grundeinkommen noch arbeiten?
Besteht denn dann nicht die Gefahr, dass viele Menschen gar nicht mehr arbeiten? Weil der Arbeitnehmer leichter als zuvor auf ein Arbeitsangebot verzichten kann, würde sich der Arbeitsmarkt erst durch ein bedingungsloses Grundeinkommen zu einem richtigen Markt hin verändern, in dem beide Parteien sich annähernd auf Augenhöhe begegnen. Wie der Unternehmer Häni erklärt, «müssen die Unternehmen dann mehr darauf schauen, warum die Menschen bei ihnen arbeiten sollen, wenn diese weniger dazu gezwungen wären». Eine von den Initianten durchgeführte Umfrage deutet nicht darauf hin, dass viele Menschen ihre Erwerbstätigkeit schnurstracks einstellen würden (siehe Box), zumal ein Grundeinkommen nur einen Basisbetrag für ein gesellschaftswürdiges Leben garantiert, welcher in der Schweiz zwischen 2‘000 und 2‘500 Franken liegen könnte, und der darüber hinausgehende Lebensbedarf nach wie vor erworben werden muss. Und wer macht dann unsere «Drecksarbeit»? Diese Frage stellte sich schon öfters in der Geschichte, beispielsweise erhoben weisse Baumwollplantagenbesitzer in den amerikanischen Südstaaten diesen Einwand, als die Abschaffung der Sklaverei in den USA diskutiert wurde, und Schweizer Medien stellten dieselbe Frage bei der Einführung des Frauenstimmrechts. Häni nennt drei praktikable Lösungsvarianten: Erstens könne man diese Arbeiten besser bezahlen und bessere Arbeitsbedingungen schaffen, so dass die Arbeit attraktiver wird. Zweitens könne man sie teilweise automatisieren und wegrationalisieren und drittens könne man ja das, wofür man meint, andere zwingen zu müssen, es zu tun, auch selber machen.
Selbst wenn die Menschen grösstenteils wie zuvor weiterarbeiten: Ist denn ein solches Einkommen für alle überhaupt finanzierbar? Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst verstehen, dass das Grundeinkommen die bestehenden Einkommen (jeder und jede hat heute bereits ein Einkommen, sonst könnte er gar nicht leben) in seiner Höhe ersetzt und in dieser Höhe bedingungslos macht. Es handelt sich nicht um viel mehr Geld. Nur wer heute weniger hat, würde finanziell besser gestellt. Die Frage ist also, wie die Transferzahlung des Grundeinkommens organisiert wird. Dafür schlagen die Basler Initianten um Daniel Häni vornehmlich eine Besteuerung des Konsums vor. Weil dies die zukünftige Steuer sei, «die gerechte Steuer, für den fairen, auch globalen Handel».
Die Finanzierbarkeit eines Grundeinkommens ist unter Ökonomen umstritten, wie der Autor dieses Artikels bei einem Gespräch mit dem HSG-Ökonomen Jörg Baumberger erfahren konnte. Und doch hat beispielsweise die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung, die der CDU nahesteht, verschiedene Szenarien durchgerechnet und die Finanzierbarkeit bestätigt. Neben den ökonomischen Argumenten erläutert Häni auch die grössere sozialphilosophische Dimension der konsumorientierten Besteuerung. Wir sehen uns heute einer arbeitsteiligen Wirtschaft gegenüber, in der wir nicht mehr das konsumieren, was wir selber hergestellt haben, sondern von der Leistungserbringung anderer leben. Dieser Tatsache trägt die Mehrwertsteuer Rechnung, weshalb sie auch als Steuer der Fremdversorgung bezeichnet werden kann. Als ob wir uns immer noch selber versorgen würden, bemisst sich die Einkommenssteuer jedoch anhand der individuellen Leistung, hemmt diese dadurch und gehört deshalb in einer arbeitsteiligen Wirtschaft im Grunde entsorgt.
Wie wird in Deutschland Einkommen erzielt?
40% durch Erwerbstätigkeit
30% durch Angehörige
20% durch Rente
10% durch Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe
bereits heute leben ca. 60 % der Deutschen von Transfers
Es gibt also gute Gründe, diese Initiative zu beachten. Es gilt alte Denk-muster aufzubrechen, wonach nur, wer Erwerbsarbeit leistet, etwas Gutes tut, und wonach sich Wirtschaft als Selbstzweck versteht. Wie schon erwähnt, gewährt das bedingungslose Grundeinkommen jedem Bürger eine nie dagewesene Freiheit, eigenverantwortlich das zu tun, was er für richtig hält. Damit korrekt umzugehen, wird der kritische Erfolgsfaktor auf dem Weg zu einer Realisierung sein. Erste Feldversuche in Namibia, Brasilien und zu Zeiten Milton Friedmans auch in den USA lieferten bereits vielversprechende Resultate. Das bedingungslose Grundeinkommen hat das Potenzial, zum nächsten grossen Meilenstein in der Geschichte individueller Freiheit zu werden.
Der Film-Essay von Daniel Häni und Enno Schmidt kann kostenlos heruntergeladen werden.
Interview mit dem Soziologen Sascha Liebermann über die Chancen eines bedingungslosen Grundeinkommens
Der Traum vom Lohn ohne Arbeit: Diese Idee findet Anhänger bei Rechten wie Linken und hat prominente Fürsprecher. Wir sprachen darüber mit Sascha Liebermann, einem der Pioniere dieses Zukunftskonzepts.
Sascha Liebermann Herr Liebermann, worum geht es bei dem „bedingungslosen Grundeinkommen“? Sascha Liebermann: Wir treten für ein garantiertes Einkommen von der Wiege bis zur Bahre ein - für jeden Staatsbürger und Personen mit dauerhafter Aufenthaltsberechtigung, Kinder wie Erwachsene gleichermaßen. Wir können es auch als Bürgereinkommen bezeichnen, denn die Gemeinschaft der Staatsbürger ist sein tragendes Fundament.
Wie hoch sollte dieses Grundeinkommen Ihrer Meinung nach sein? Liebermann: Es soll ermöglichen, sich frei zu entscheiden, was der Einzelne mit seinem Leben anfangen möchte. Es muss also so hoch sein, dass er davon sein Auskommen hat und am gemeinschaftlichen Leben teilnehmen kann, das ist die Mindestforderung.
Worin lägen die Vorteile eines solchen bedingungslosen Grundeinkommens? Liebermann: Wer nicht des Einkommens wegen arbeiten muss, wie heute, wird sich für das entscheiden, was er gut kann. Falls er seine Neigungen und Fähigkeiten noch nicht kennt, hat er mit einem bedingungslosen Grundeinkommen die Freiräume herauszufinden, wo diese liegen. Damit steigt die Chance, dass jeder dem nachgeht, was er für wichtig und richtig erachtet und sei es, dass er sich die Auszeit nimmt, die er benötigt. Eine Arbeitspflicht hingegen drängt die Menschen in etwas Bestimmtes hinein. Was ist schon „Arbeit“ - die Sorge um die eigenen Kinder, die Pflege von Verwandten, politisches Engagement, Ehrenamt, Erwerbstätigkeit? Alle sind gleichermaßen unerlässlich für unser Gemeinwesen, aber nur Erwerbstätigkeit erkennen wir an.
Was bedeutet das für die heutigen Formen der Erwerbsarbeit? Liebermann: Erwerbsarbeit ist dort produktiv, innovativ, wo jemand mit Herzblut bei der Sache ist, wo er sich mit dem identifiziert, was er macht. Das reicht bis in sogenannte einfache Tätigkeiten, die verlässlich ausgeführt werden müssen. Das Grundeinkommen erhöht die Chancen, dass jemand etwas findet, das ihm gemäß ist. Heute stehen wir vor dem Problem, dass an einem Arbeitsplatz womöglich nur festgehalten wird, um Einkommen zu erzielen, die Folge ist, es wird nicht mehr gemacht als nötig oder sogar weniger. Für jedes Unternehmen bedeutet das schleichenden Stillstand, aber auch für uns als Gemeinwesen. Arbeitsplätze sind kein Selbstzweck, entscheidend ist, was dabei hervorgebracht wird.
Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt werden kann? Liebermann: Die, auf deren Basis wir heute schon zusammenleben, über die wir uns aber wenig im Klaren scheinen: loyale Bürger, die allerdings ihre Möglichkeiten zur Einmischung heute zu wenig nutzen; eine politische Ordnung, die die Bürger schützt und zugleich deutlich macht, dass es die Freiheit der Bürger nicht ohne das Gemeinwesen geben kann. Die Bereitschaft, in vielfältigen Formen an der Bewältigung gemeinschaftlicher Aufgaben mitzuwirken.
Ist die Einführung eines solchen Grundeinkommens in den Zeiten der Krise nicht utopisch? Liebermann: Betrachtet man die gegenwärtige Krise als Sinnkrise, dann stellt sie an uns die Frage: Wozu das alles, was ist der Zweck des Wirtschaftens, wie wollen wir zusammenleben und wie soll es weiter gehen? Gerade die Krise fordert von uns eine Antwort, die nur lauten kann: Wir benötigen Entscheidungen, die dem Gemeinwesen und den Bürgern dienlich sind, und nicht solche, die fortsetzen, was zur Krise geführt hat. Eine der Antworten ist das Grundeinkommen.
Wie teuer würde die Einführung eines solchen Grundeinkommens, und wer soll das wie finanzieren? Liebermann: Finanzieren müssen wir es als Gemeinwesen über Steuern und Abgaben. Wie das genau aussehen soll, darüber benötigen wir eine öffentliche Debatte. Es gibt Vorschläge, dazu die Mehrwert- oder Verbrauchsbesteuerung entsprechend zu erhöhen und die Einkommensbesteuerung abzusenken bzw. gar ganz auf sie zu verzichten von Benediktus Hardorp und Götz W. Werner. Die halte ich für sehr interessant. Zusätzlich aufbringen müssen wir nur die Finanzierung derjenigen Einkommen, die heute unter dem Grundeinkommen liegen, das wir erreichen wollen. Eine Folge des Grundeinkommens wäre ja auch, dass Einkommen sich anders zusammensetzen als heute, d.h. jeder hätte schon ein Grundeinkommen und jedes Einkommen darüber hinaus würde dazuaddiert und nicht angerechnet. Es könnte also sein, dass zwar Löhne niedriger wären als heute, das Einkommen aber dennoch höher, da Grundeinkommen und Lohn addiert werden. Von Detlef Sieloff
• Vortrag: Am Freitag, 11. Juni, ist Sascha Liebermann in Kassel zu Gast. Sein Vortrag mit dem provokanten Titel: Freiheit statt Vollbeschäftigung - warum ein bedingungsloses Grundeinkommen nötig ist“ beginnt um 19.30 Uhr im Anthroposophischen Zentrum, Wilhelmshöher Allee 261.
Projektinfo: „100mal Neues Leben“ (Juni 2010) 1. Angeregt durch die Idee eines Bedingungslosen Grundeinkommens und aus der Überzeugung heraus, dass die Gesellschaft, neue Bilder und Konzepte für Arbeit und Leben braucht, ist die Breuninger Stiftung mit dem Vorschlag an die Öffentlichkeit getreten, ein entsprechendes Praxisprojekt, sozusagen einen „Feldversuch“ zu starten. Während in der öffentlichen Wahrnehmung dabei immer das Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“ im Vordergrund stand, ging es der Stiftung insbesondere um ein anderes Verständnis von Arbeit: Denn die Reduzierung von Arbeit auf Erwerbsarbeit ignoriert die umfassende Bedeutung von Arbeit für den Menschen ‐ keine Arbeit zu haben bedeutet deshalb nicht nur, kein Einkommen zu haben. Weil es bislang aber kaum praktische Beispiele dazu gibt, wie Arbeit neu gedacht und gelebt werden kann, hat die Stiftung ein entsprechendes Projekt angeregt. Möglich ist dies nur mit einem grundlegenden Paradigmenwechsel: Menschen benötigen ein Minimum an materieller Sicherheit und die Freiheit zur eigenen Lebensgestaltung. Dafür gilt es, einen Raum zu schaffen. Ein solcher „Ermöglichungsraum“ gibt den Menschen Gelegenheit, das eigene Leben in die Hand zu nehmen. Mit dem Projekt sollte ein „Ermöglichungsraum“ geschaffen werden, in dem neue Perspektiven aufgezeigt und praktisch erprobt werden können. Deshalb auch der Titel „100 mal Neues Leben“. Das Projekt: „100 mal Neues Leben“ soll 100 Menschen über einen befristeten Zeitraum die Chance geben, unter grösstmöglicher Selbstbestimmung, materiell abgesichert, eine neue Perspektive zu finden. Wesentliche Merkmale des Projektes sollten dabei sein: eine andere, neue Vorstellung von Arbeit, die Trennung von Arbeit und Einkommen und die praktische Erprobung der Idee eines „Ermöglichungsraums“. Und der Teilnehmerkreis sollte nicht ausdrücklich nicht auf einzelne Gruppen, wie z.B. Arbeitslose eingeschränkt sein. 2. Es lässt sich feststellen, dass das Thema bedingungsloses Grundeinkommen hochaktuell ist. Die meisten Reaktionen auf den Projektvorschlag beziehen sich auf diesen Aspekt. Es wäre sicher wünschenswert, wenn ein entsprechendes Projekt möglich wäre. 3. In den vergangenen Monaten haben mit verschiedenen möglichen Partnern Gespräche und Verhandlungen stattgefunden. Zusammenfassend lässt sich dazu sagen, dass die hinter dem Projekt steckende Idee einhellig auf grosses Interesse gestossen ist, dass sich aber keine Möglichkeit ergeben hat, ein solches Projekt ‐ unter Einschluss eines Grundeinkommens für alle Teilnehmer/innen – zu finanzieren. Der Breuninger Stiftung allein ist es nicht möglich, ein solches Projekt selbst zu finanzieren. Ohne entsprechende Geldgeber ist das Projekt in der ursprünglich gedachten Form damit nicht realisierbar. 4. In der weiteren Projektentwicklung wird es wird darum gehen, unter Beachtung der Grundideen eine Form zu finden, wie 100 Menschen über einen befristeten Zeitraum, unter grösstmöglicher Selbstbestimmung, materiell abgesichert, ihrem Leben eine neue Perspektive geben können. Die materielle Absicherung wird aber nicht Bestandteil des Projektes sein können, der Aspekt des bedingungslosen Grundeinkommens tritt deshalb in den Hintergrund. Der Projektvorschlag „100 mal Neues Leben“ der Breuninger Stiftung hat drei konstitutive Elemente: - eine neue Vorstellung von Arbeit (Arbeit bestimmt weitgehend die Entwicklungsmöglichkeiten von Menschen und die Reduzierung von Arbeit auf Erwerbsarbeit ignoriert deren umfassende Bedeutung.) - die Schaffung von Ermöglichungsräumen als Voraussetzung dafür, dass sich Neues entwickeln kann. (Voraussetzung ist dafür, dass Menschen ein Minimum an materieller Sicherheit und die Freiheit zur eigenen Lebensgestaltung bekommen. Ermöglichungsräume werden dabei als Chance begriffen, eine eigene Neuorientierung zu finden, und jeder/jedem zu ermöglichen, das zu tun, was jede/r „wirklich, wirklich“ will.) und - ein Minimum an Vorgaben (Was vor allem bedeutet, Zugriffsrechte von aussen – Arbeitsagentur, Job‐Center, auch der Stiftung ‐ auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.) 5. Die Breuninger Stiftung wird den ursprünglichen Projektvorschlag in diesem Sinne weiterentwickeln. Aktuelle Verhandlungen und Gespräche haben durchaus aussichtsreiche Perspektiven dafür ergeben: es zeichnet sich ab, dass es gelingen kann ein entsprechendes Projekt in Brandenburg zu realisieren. Dabei wird die Stiftung mit einem Partner „vor Ort“ zusammen arbeiten, der die operative Trägerschaft des Projektes übernimmt. Wenn dies so umgesetzt werden kann, bedeutet das, dass die Teilnahme an dem Projekt durch den örtlichen Projektträger ausgeschrieben wird und die Teilnehmer aus dem örtlichen/regionalen Umfeld kommen werden.