Skandal beim Bayerischen Rundfunk: Merkels Regierungssprecher wurde zum Intendanten gewählt! Redaktion
Mit 40 von 44 Stimmen ernannte der BR-Rundfunkrat am gestrigen Donnerstag-Abend den Regierungssprecher der deutschen Bundesregierung zum Intendanten der viertgrößten ARD-Anstalt … Die Einflussnahme der Politik, explizit der Bundesregierung auf deutsche Medien und die öffentlich-rechtlichen Sender, damit auch auf die Presse- und Meinungsfreiheit des Landes, erreicht damit ihren bisher schamlosesten Höhepunkt!
Nachdem jüngst bekannt wurde, dass Bundeskanzlerin Merkel verschiedene Vertreter der deutschen Leitmedien zu sich gerufen und dazu aufgefordert hatte, die Bevölkerung nicht über die wahre Lage des Landes und den bevorstehenden Crash zu unterrichten, und nachdem ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender kürzlich durch die massive Einflussnahme des CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch coram publico aus dem Amt geschossen wurde, ist nun der bisher unanständigste und dreisteste Skandal perfekt. Er toppt alles bisher Dagewesene – und unter den erstaunten Augen der gesamten Öffentlichkeit: Angela Merkels bisheriger Regierungssprecher Ulrich Wilhelm höchstpersönlich wurde zum neuen Intendanten des Bayerischen Rundfunks gewählt! Eine Notaktion? Vermutlich! Denn die Lage Deutschlands spitzt sich derzeit dramatisch zu, das weiß auch die Kanzlerin, Griechenland und der Untergang sind nicht weit! Und sie muss die Journaille im Griff behalten, solange es noch irgend geht! »Angela Berlusconi«, so wurde sie denn auch gestern vom Stern genannt.
In der Tat, so etwas hat es in der gesamten Mediengeschichte noch niemals gegeben: Der Bayerische Rundfunk, eines der größten öffentlich-rechtlichen Medienhäuser in Europa, hat die Sache minutiös und perfekt eingefädelt. Im zuständigen Gremium, dem Rundfunkrat des Senders, war die Mehrheit für den Noch-Regierungssprecher längst gesichert. Der bisherige Amtsinhaber Thomas Gruber ist willig vorzeitig zurückgetreten, um diesen Wechsel möglich zu machen. Bis auf eine kleine Minderheit sollen die Gremienmitglieder auch noch froh und stolz sein, eine so bedeutende Persönlichkeit gewonnen zu haben, heißt es unterdessen.
Bei der merkwürdigsten Intendantenwahl der gesamten 60-jährigen, öffentlich-rechtlichen Geschichte gab es genau einen einzigen Gegenkandidaten, der von vornherein eine Null-Chancen-Position einnahm: Der von den Grünen unterstützte Rudi Erhardt.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm ist nett, wie es heißt, beliebt. Er sei kein Parteisoldat, schwärmen die Korrespondenten. Klar, der Mann hat seine Verdienste: 1991 trat er in den Dienst der Bayerischen Staatsregierung ein, schon zwei Jahre darauf war er in der Staatskanzlei und kurze Zeit später wurde Ulrich Wilhelm Sprecher des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Einer, der politisch so klar einzuordnen ist und dabei so erfolgreich arbeitet, fällt auch in Berlin schnell auf, und so holte Angela Merkel ihn 2005 unter ihre eigennützigen Fittiche und machte ihn zum Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung.
Doch nur wenige Journalisten und Medien trauen sich noch, diesen unglaublichen Skandal überhaupt zu thematisieren bzw. zu kritisieren. Oder wo etwa liest man differenzierte Einzelheiten darüber, die nicht im nächsten Halbsatz schon wieder unsicher relativiert werden? Zahlreiche Journalisten scheinen wohl noch benebelt unter dem Einfluss der gemeinsamen, zurückliegenden, dreitägigen Island-Aschewolke-Klassenreise zu stehen, bei der die Kanzlerin nicht einfach den Helikopter nahm und sich von der riesigen Journalistenmeute absetzte, sondern wo Merkel vielmehr schlau wie eine Schlange die Gunst der Stunde nutzte, um sich drei quälende Tage und Nächte über mit der bundesdeutschen Journaille dichtgedrängt in Bussen durch halb Europa schaukeln zu lassen und das heikle Eisen zu schmieden, solange es noch glühte. War sie in der irrigen Annahme, die dumpfen Deutschen merkten ohnehin nichts mehr?
Öffentliche Kritik kam jetzt vom ehemaligen ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, dessen sich die CDU Hessen vor wenigen Monaten mit bemerkenswerter Chuzpe entledigte. Er äußerte sein Unverständnis über den Vorgang, wohlwissend, dass er ohnehin nur noch ein Ausgestoßener ist. Nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert … sagte Brender wörtlich, es sei »verwunderlich, dass sich Empörung nur so gezügelt zeigt«. Er warnte: »Vom Regierungssessel auf den Intendantensessel ohne irgendein Zwischending, ohne eine Zeit der Erholung, der Keuschheit, das ist für mich schon hoch erstaunlich.«
Gerade der Fall Brender hatte ja heftige Debatten über die Macht der Parteien im eigentlich unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gefördert. Im ZDF sitzen Ministerpräsidenten an wichtigen Funktionen, in der ARD sitzen Vertraute der Ministerpräsidenten. Und klar ist auch: Hier kann so gut wie niemand Karriere machen ohne klare Verortung als »Roter« oder »Schwarzer«.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel indes kann sich jetzt erst einmal zufrieden zurücklehnen, denn ein Gutteil der Kontrollarbeit ist mit dem gestrigen Coup getan: Hessen ist ihr durch den eifrigen CDU-Koch ohnehin sicher. Und auch die vier norddeutschen Bundesländer Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und das riesige Niedersachsen, die allesamt unter der Sender-Ägide des NDR treu ergeben erfüllen, werden ihr weiterhin aus der Hand fressen: Der über zwei Jahre zurückliegende Fall der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin Eva Herman, die sich als erbitterte Gegnerin des Gender Mainstreaming offenbarte, hat seine Brisanz bis heute noch nicht verloren und ist vielen noch im Gedächtnis: Herman wurde nach fast 20 Jahren Zusammenarbeit fristlos vom NDR gefeuert, weil ihre familienfördernden Themen die Gleichstellungs-Regierungspläne möglicherweise empfindlich hätten stören können. Der NDR-Schwestersender WDR hatte dabei ordentlich mitgeholfen, scheint also ebenso von der regierungstreuen Geisteshaltung nicht weit entfernt zu sein.
Nun hat Merkel künftig auch den Bayerischen Rundfunk im Sack! Man darf gespannt seinen Blick auf die übrigen Bundesländer und deren öffentlich-rechtliche Anstalten richten, deren Aufgabe es unter anderem ja sein soll, die Pressefreiheit im Land zu fördern, die Meinungszensur zu verhindern und als »Vierte Gewalt« der Regierung auf die Finger zu schauen. Und zu klopfen!
Der mündige Bürger allerdings, der jeden Monat seine im Notfall auch mit Zwangsmaßnahmen einzutreibenden GEZ-Gebühren meist brav einbezahlt, sollte sich allmählich Gedanken darüber machen, wen er eigentlich damit finanziert: Ein unabhängiges Radio-, Fernseh- und Internetprogramm scheint jedenfalls immer seltener zu erwarten sein.