Jetzt ist das Ende des Euros endgültig beschlossen ... statt den Patienten zu heilen wurde eine langsames Sterben eingeleitet.
Für mich hat die plötzliche Einlieferung des deutschen Finanzministers in ein Krankenhaus Sonntagabend, mitten in den wichtigen Verhandlungen über das Schicksal des Euro, ganz klar symbolische Bedeutung. Schäuble hat bei dem was er als Zukunft für seinen Haushalt sah einen Nervenzusammenbruch erlitten. Das war für ihn zu viel. Es wäre die Unverträglichkeit eines Medikaments ist eine Ausrede.
Er hat gesehen, was für ein Tsunami an Schulden auf den deutschen Steuerzahler zu kommt. Einfach gigantisch. Und genau wie ein Tsunami, wird damit alles was im Weg steht weggespült und die EU-Bürger werden ertrinken. Ertrinken werden sie an den unglaublichen Schulden für die sie gerade stehen müssen.
Es wurde ein gigantisches Rettungspaket beschlossen, denn die EU kann jetzt bis zu 750 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen, um die bankrotten Mitgliedsländer zu retten und um den Euro gegen die bösen Spekulanten zu verteidigen. Das bedeutet, die EZB wird Unmengen an Geld drucken müssen. Gleichzeitig soll eine Konsolidierung der Staatsfinanzen intensiviert und vorangetrieben werden. Was heisst das genau?
Erstens, die Situation muss unglaublich schlimm sein, wenn so eine gigantische Summe an Krediten notwendig ist. Zweitens wird die Währungsunion in eine Haftungs- und Schuldenunion umgewandelt, genau das was aber die EU-Verträge ausdrücklich verbieten. Sie reden sich mit einem „Notfall“ raus, um das Gesetz brechen zu können, wie immer. Drittens wird den einzelnen EU-Ländern das Steuer aus der Hand genommen und Brüssel übernimmt für alle die Entscheidungen. Viertens wird es eine massive Inflation geben, mit stetiger Geldentwertung.
Und fünftens, das schmerzhafteste und ungerechteste, die EU-Bürger werden generell den Gürtel enger schnallen müssen. Die Kürzungen der Staatsausgaben wie in Griechenland und Rumänien bereits eingeleitet, die Kürzung der Löhne, Renten, Arbeitslosengeld, Sozialausgaben usw. um 20 und mehr Prozent mit gleichzeitiger Steuererhöhung, wird es überall geben. Irgendwer muss ja die Zeche zahlen und das ist wie immer der kleine Mann, der, der eh schon am wenigsten hat. Ist doch logisch.
Gut, wir werden eine kurze Rally an den Märkten erleben, aber dieser Anstieg wird nur von kurzer Dauer sein, denn kein einziges grundlegendes Problem des Euro, der Eurozone und dessen Mitgliedsländer wurde gelöst. Statt die kranken Patienten auszusondern und unter Quarantäne zu stellen, damit sie getrennt vom Rest sich selbstständig erholen können, wurde am Wochenende beschlossen, dass alle solidarisch jetzt angesteckt und krank werden sollen. Da kann man sich nur an den Kopf greifen.
Was ist falsch daran, die Länder welche eine Misswirtschaft hingelegt haben in einen geordneten Konkurs zu schicken? Ein Schuldenerlass und ein Abschreiben der Verbindlichkeiten ist doch die einzige Lösung. Nur durch drücken des Reset-Kopf können sie sich erholen und aus dem Teufelskreis der Zinszahlungen raus kommen. Dieses "too big to fail" ist doch völliger Blödsinn, dieses retten koste es was es wolle, bei Staaten genau wie auch bei Banken. Wer nicht überlebensfähig ist, muss die Konsequenzen tragen. Angeblich leben wir doch in einer Marktwirtschaft.
Statt die Schotten dicht zu machen, damit nicht mehr Wasser ins Schiff kommt und die Kammern die riesige Löcher haben auszusondern, wurden nur die Anzahl Pumpen erhöht. Ja, die Geldpumpen. Damit wird das Schiff nicht am Sinken gehindert, sondern nur die Zeit etwas hinausgezögert, bis der Kahn endgültig untergeht.
Merkel hat sich als völlig unfähig zur Führung dieses Schiffes gezeigt und mitten im Sturm hat Sarkozy das Kommando übernommen. Ist ja auch keine Wunder. Was ist sie denn schon? Hat sie von Finanzen und Wirtschaft eine Ahnung? Als Dr. der Physik sicher nicht. Sarkozy und die Eurokraten haben ihren Willen durchgesetzt und sie haben jetzt eine sogenannte Wirtschaftsregierung für die Eurozone beschlossen. Die einzelnen Länder haben nichts mehr zu sagen, die Wirtschaftspolitik der EU-Länder wird ab sofort von Brüssel diktiert.
Wir sehen die Zerstörung der fiskalischen Souveränität der Länder. Dieser sogenannte EU-Rettungsmechanismus mit der Macht jetzt eigene Schuldscheine bis zu einer Höhe von 750 Milliarden Euro auszustellen, geht weit über den Lissabon-Vertrag hinaus. Wir sehen die Entstehung eines EU-Finanzministeriums, wo die Schulden der einzelnen von allen getragen werden müssen. Der europäische Superstaat wird vor unseren Augen geschaffen. Wieder werden mit einem Notstand die Menschen vor vollendeten Tatsachen gestellt, die im Normalfall nicht durchsetzbar wären.
Die Protestwahl wie jetzt in NRW gesehen, in dem die Wähler ihren Unmut über die Haftungsübernahme für Schulden der anderen Länder ausgedrückt haben, zeigt wie unpopulär diese Beschlüsse sind. Merkel hat einen Denkzettel verpasst bekommen und damit die Mehrheit im Bundesrat verloren. Was wir in den Strassen von Athen erlebt haben ist nur der Anfang und könnte europaweit ausser Kontrolle geraten, wenn die Menschen es bald am eigenen Leib spüren werden, was ihre Politiker gerade eben beschlossen haben.
Es wird eine Inflation, eine Geldentwertung mit gleichzeitigen massiven Einschnitten in den Staatsausgaben und Steuererhöhungen geben, welche die Ärmsten am härtesten trifft.
Statt die schwer kranken EU-Länder im Süden und Osten aus dem Euro ausscheiden zu lassen, um mit einer eigenen Währung durch Abwertung und Schuldenbereinigung ihre schwachen und nicht wettbewerbsfähigen Wirtschaften zu sanieren, wird krampfhaft die Einheit aufrechterhalten, koste es was es wolle. Und das wird dann für alle teuer. Ist die Rettung eines einheitlichen Euros das wert, nur weil die Euroturbos eine Niederlage nicht eingestehen können?
Was wir jetzt sehen ist völlig verrückt und kommt einem Selbstmord auf Raten gleich.
Banken sollen wieder Staaten dienen Von Matthias Kaufmann
Götz Werner: "Niemand käme auf die Idee, etwa beim Fußball die Regeln abzuschaffen"
Die Geldhäuser haben die Schuldenkrise der Staaten mit verursacht, unter der Europa ächzt. Das sagt DM-Gründer Götz Werner im Gespräch mit dem manager magazin - und weist zugleich unserer Gesellschaft den anderen Teil der Schuld zu. Jetzt müsse der Mensch in das Zentrum des Handelns rücken.
mm: Professor Werner, Sie haben sich als Unternehmer für eine Wirtschaftsethik starkgemacht, die nicht allein der Gewinnmaximierung dient. Was können wir aus der Euro-Krise, der Schuldenkrise und der Finanzmarktkrise lernen?
Werner: Ich denke, dass diese Krisen einen gemeinsamen Kern haben. Immer wieder wird in der Wirtschaft der Mensch aus dem Blick verloren. Jeder, der unternehmerisch tätig ist, muss sich bewusst sein, dass sein Handeln den Bedürfnissen der Menschen dienen muss, wenn es erfolgreich sein soll.
mm: Und das klappt nicht?
Werner: Das Ziel muss sein, möglichst genau zu treffen, was Menschen wollen. Wenn das Ziel jedoch maximaler Gewinn ist, werde ich die Bedürfnisse der Menschen bestenfalls zufällig treffen.
mm: Gewinn ist per se nichts Schlechtes.
Werner: Ja, aber der Gewinn muss dem Ziel dienen, für die Menschen zu wirtschaften. Er ist nicht Zweck, sondern Mittel des Unternehmertums. Egal ob ich die Konsumbedürfnisse der Menschen mit Zahnpasta stille oder mit der Herausgabe eines Wirtschaftsmagazins: Ohne Gewinn halte ich das nicht lange durch.
mm: Was ist der Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise?
Werner: Immer dann, wenn der Gewinn im Mittelpunkt steht, verliert man den Bezug zur Realwirtschaft. Das ist nämlich der Terminus für die Wirtschaft, die an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist. Die Finanzmärkte haben ihre Existenzberechtigung, weil sie ursprünglich der Realwirtschaft dienen. Die Finanzmärkte haben sich aber zu einem großen Teil von dieser dienenden Funktion abgekoppelt. Sie sind nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern zu ihrem eigenen Zweck geworden.
mm: Das allein führt in die Krise?
Werner: Aber ja! Denn derart entkoppelt, hat man große Räder gedreht, wie es immer heißt, die keinen Bezug zu realen Werten hatten. Das Spielgeld, um das es dabei ging, war nichts wert. So konnte großer Schaden entstehen, denn die Schulden, die angehäuft wurden, bleiben sehr reell in den Büchern stehen.
mm: Also haben uns die Banken das neue Ausmaß der Schuldenkrise eingebrockt?
Werner: Sie tragen daran Mitschuld. Schuld sind aber auch die, die nicht regulierend eingegriffen haben. Die Gesellschaft als Ganzes muss sich fragen, warum sie das hat geschehen lassen, warum sie nicht mehr Druck gegen diese Kasinospiele gemacht hat. Und nicht zuletzt haben die Politiker versagt, die nicht nur auf Regulierung verzichtet, sondern bestehende sinnvolle Regeln sogar abgeschafft haben. Die Regulierung ist Aufgabe der Politik.
mm: An welche Regeln denken Sie?
Werner: Einschneidend war wohl, dass die USA unter der Regierung Clinton die Trennung zwischen Investmentbank und Kreditbank aufgehoben haben und den Banken erlaubt wurde, Eigengeschäfte zu machen. Damit wurde es möglich, dass die Banken sich mehr mit sich selbst beschäftigen als mit ihren Kunden. Das war das Ergebnis einer neoliberalen Fehleinschätzung.
2. Teil: Freiheit erhöhen durch schärfere Regeln
mm: Hat die Deregulierung nicht auch nötige Freiräume geschaffen?
Werner: Die Regierung muss auf eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte dringen. Natürlich brauchen wir in der Wirtschaft Freiräume, um Initiative zu ermöglichen. Aber das ist absolut nicht gleichbedeutend mit dem Fehlen von Regeln. Ganz im Gegenteil.
mm: Die Freiheit erhöhen, indem man die Regeln verschärft - mit dieser Ansicht galt man noch vor Kurzem in Wirtschaftskreisen als wunderlich.
Werner: Richtig, dabei stößt sich niemand daran, wenn der Kontext ein anderer ist. Fußball etwa ist immer dann am besten, wenn kreative Spieler die eigenen Grenzen ausloten und jene, die ihnen die Spielregeln setzen. Es käme niemand auf die Idee, die Regeln beim Fußball abzuschaffen, um noch mehr Kreativität freizusetzen. Das Ergebnis wäre nicht kreativ, sondern chaotisch.
Oder ein anderes Beispiel: Die Freiheit, mich mit einem Auto von A nach B zu bewegen, geben mir erst die strengen Regeln unserer Straßenverkehrsordnung. Wenn jeder ohne Regeln fahren würde, wäre es unmöglich, heil anzukommen.
mm: Wie wird die Wirtschaft nach der Krise aussehen?
Werner: Halten wir mal fest, dass die Versorgung noch immer funktioniert. Rohstoffe werden geliefert, Sie können weiter Brot kaufen, und man kann noch immer Ihre Texte im Internet aufrufen. Also: Auf den ersten Blick wird die Wirtschaft kaum anders aussehen.
mm: Und auf den zweiten Blick?
Werner: Ich habe die Hoffnung, dass sich das Interesse in den Unternehmen verschiebt. Heute wird noch viel zu oft gefragt, wie etwas funktionieren soll, aber viel zu selten, warum wir als Unternehmer etwas tun. Viele Manager konzentrieren sich auf die Technik des Managements, aber sie scheuen die Sinnfrage, dabei könnte sie die vor vielen Verirrungen bewahren. Wichtiger als das Know-how ist das Know-why.
mm: Klingt gut, aber unkonkret.
Werner: Dann nehmen Sie unser Steuersystem. Die Leute reden sich die Köpfe heiß über Details der Besteuerung, etwa die Pendlerpauschale. Es fragt aber niemand mehr, warum wir Steuern erheben. Sie sollen die Aufgaben des Staates finanzieren, aber gleichzeitig Initiative nicht ausbremsen. Damit ist klar, dass die Grundlage von Steuern nicht das Einkommen sein kann, denn eine Einkommensteuer zieht Geld ab, bevor die Wertschöpfung erfolgt ist. Konsumsteuern dagegen setzen nach der Wertschöpfung an.
mm: Sie treffen aber all jene härter, die einen größeren Teil ihres Einkommens in den Konsum stecken müssen. Das sind Arme und Geringverdiener.
Werner: Unterm Strich fände keine Benachteiligung statt. Schließlich sind alle anderen Steuern, die wir heute haben, doch auch in den Endpreisen berücksichtigt. Die Einkommensteuer beeinflusst ja die Gehaltsverhandlungen der Arbeitgeber und damit wieder ihre Preisgestaltung für Produkte. Alle Steuern werden letztlich eingepreist. Wenn die Unternehmensteuer erhöht wird, steigen auch die Preise. Das gilt über Umwege auch für Vermögen- oder Erbschaftsteuern.
mm: Um Ihre Idee des bedingungslosen Grundeinkommens ist es vergleichsweise still geworden. Scheitert sie in der Schuldenkrise der Euro-Staaten an der schnöden Finanzierbarkeit?
Werner: Die vermeintliche Stille liegt daran, dass über andere Themen lauter gesprochen wird. Tatsächlich breitet sich die Idee aus. Es gibt immer mehr Menschen, die sich das vorstellen können.
mm: Worin besteht genau die Idee?
Werner: Erstens: Der Mensch braucht ein Einkommen. Zweitens: Das Einkommen soll nicht die Bezahlung für Arbeit sein, sondern Arbeit ermöglichen. Erst wer ein Einkommen hat, um seine Grundbedürfnisse zu stillen, hat die Freiheit, sich sinnvoll zu engagieren. Wenn wir diese Entkoppelung von Arbeit und Einkommen haben, dann dient Arbeit eben nicht mehr der Maximierung von Einkommen, sondern der Maximierung von Sinn. Das hat Vorteile für alle, egal welcher Beschäftigung man nachgehen will.
mm: Aber das Einkommen muss irgendwo herkommen. Wie steht es also mit der Finanzierbarkeit?
Werner: Alles, was produziert werden kann, ist finanzierbar, sagte Oswalt von Nell-Breuning. Und er setzte hinzu: Vorausgesetzt, wir haben den ehrlichen Willen dazu. Wir leben ja nicht vom Geld, sondern von den Gütern. Das Geld hat seinen Wert nur durch Güter und Dienstleistungen, für die es steht - andernfalls erleben wir wieder eine Finanzkrise. Das heißt: Wenn es die Güter gibt, gibt es auch das Geld. Die Frage ist nur: Wo will die Gesellschaft das Geld, das ja da ist, einsetzen?
Insofern wird die Idee des Grundeinkommens von der Schuldenkrise nicht berührt. Es geht um den politischen und gesellschaftlichen Willen zur Veränderung.